Die Kraft des Hirsches

Traumaheilung durch den Bau einer schamanischen Rahmentrommel [Erlebnisbericht]

Sei gegrüßt lieber Freidenker,

Heute möchte ich mit dir meine Erlebnisse und Erkenntnisse teilen, welche ich kürzlich durch den Besuch eines Seminars gewinnen durfte. Im Rahmen dieses Kurses erschufen wir gemeinsam mit der erfahrenen Leiterin Heike unsere eigene traditionelle Schamanentrommel. Was sich im ersten Moment noch halbwegs nach einem normalen Bastelkurs anhört, entpuppte sich im Laufe des Wochenendes als ein spirituelles Ereignis, dessen esoterisches Ausmaß selbst mich verblüffte (falls du dich an dem Wort „esoterisch“ reibst, studiere gerne diesen Blogartikel). Was haben nun also Themen wie die Kraft des Hirsches, unterdrückte Wut, Perfektionismus, Traumaheilung und Telepathie miteinander gemeinsam und welche Impulse könnte dir meine Erfahrung für dein eigenes Wohlbefinden liefern? Lass es uns herausfinden.

Benjamin Weidig und der Zauberstab

Bereits einige Wochen vor Seminarbeginn wurde uns per E-Mail der grobe Ablauf geschildert. So wussten wir im Vorfeld, dass wir im Rahmen einer schamanischen Meditation intuitiv die für unseren Charakter passende Trommel erspüren sollten. Der Hirsch, die Ziege und das Rind würden hierbei als Tierhaut zur Auswahl stehen – auch der Durchmesser und die Form des Schlegels sollten sich bei der Meditation uns zu erkennen geben. Mein Kopf ratterte gedanklich alle vermeintlichen Vor- und Nachteile der drei Tiere durch, während ich die verschiedenen Einsatzgebiete dieser Tiere im Schamanismus recherchierte. Zeitweise fühlte ich mich dabei in meine Kindheit zurückversetzt, in der ich an meinem Gameboy die schwierige Auswahl des Starterpokemons Glumanda, Bisasam oder Schiggy treffen musste. Wer aus meiner Generation stammt, dem ist die Tragweite dieser Entscheidung für die darauffolgende Zukunft bewusst...

Mein Weggefährte Thomas erinnerte das Szenario hingegen an Harry Potter und die Wahl des eigenen Zauberstabes. Auch ein schöner Gedanke, in den ich mich reinversetzen konnte. Denn der Besuch dieses Seminars hatte tatsächlich bereits im Vorfeld etwas Mystisches. Wir bauen uns unser eigenes Zauberwerkzeug! Während meine rationalen Gedankengänge mir erläuterten, wieso es bei mir wahrscheinlich die Ziege werden sollte, konnte Thomas sich so gar nicht mit diesem Tier anfreunden. Aus der Harry-Potter-Szene sprechenden Hutes „nicht Slytherin, nicht Slytherin!“ wurde so im Vorfeld der Insiderwitz „bitte keine Ziege, bitte keine Ziege!“.

Bevor nun am Seminartag die Trommelreise begann, sollten wir zunächst einmal ein erstes Gefühl dafür erlangen, welche Tierenergie am stärksten mit uns in Resonanz geht. Dafür spielte Heike uns die verschiedenen Rahmentrommeln - aus Ziege, Rind und Hirsch – nacheinander vor. Was mich hierbei völlig verblüffte, waren die grundverschiedenen Bewusstseinszustände, die sich während des Trommelns innerhalb meines Gehirns ergaben. Während das Schlagen der Ziegentrommel einen eher „windigen“ Charakter mit sich brachte, fühlte sich der Hirsch majestätisch und kraftvoll an. Das Rind hingegen erzeugte in mir innerhalb weniger Sekunden einen Zustand tiefer Erdung und Verbundenheit mit der Natur. Es war tatsächlich so, als könnte ich die „Energie des Grases“ spüren, die ein auf einer blumigen Weide umhergrasendes Rind während seiner Lebensspanne akkumulierte und nun per Schwingungsebene auf die Trommel übertrug. Warum ich - als jemand, der immer wieder von diversen spirituellen Erfahrungen wie Telepathie oder Out-of-Body-Experiences berichtet - so etwas als verblüffend bezeichne, hat den Grund, dass ich trotz all dieser Erlebnisse, im Kern noch immer ein eher rationaler Mensch bin. Noch immer denke ich allzu oft im vermeintlich „wissenschaftlichen“ Kontext und versuche emotionale Erlebnisse im Nachhinein logisch zu erklären bzw. nachzuvollziehen - was jedoch in den seltensten Fällen gelingt und infolgedessen zu einer endlosen Gedankenspirale führt. In Situationen wie diesen wird mir immer wieder schmerzlich bewusst, wie tief die Indoktrinierungen unserer Gesellschaft in Bezug auf Wissenschaft, Naturgesetzen o. Ä. in uns verankert sind – selbst als „freidenkender Mensch.“

Der Zustand des „rationalen Prüfens“ bietet mir einerseits natürlich auch den Vorteil, äußerst selten auf Scharlatane (die ohne Zweifel in der „alternativen Szene“ zuhauf existieren!) hereinzufallen und Placebo-Effekte in Situationen wie diesen ausschließen zu können, weswegen ich diese Charaktereigenschaft nicht generell als negativ klassifizieren möchte. Doch andererseits verhindert sie oftmals tiefgreifende Erfahrungen, da diese für eine vollständige Heilung nicht (nur) mit dem Gehirn erfasst, sondern primär (mit) dem Herz gespürt werden müssen.

An diesem schamanischen Kraftort fühlte ich mich jedoch so wohl, dass ich meinen Emotionskörper weit öffnen konnte, was wahrscheinlich die Intensität meiner darauffolgenden Erfahrungen maximierte.

Die Krafttiermediation – Eine Reise mit dem Hirsch

Als die eigentliche schamanische Trommelreise begann, verblieben zunächst noch immer Bedenken, ob ich mich voll und ganz darauf einlassen können würde. Schließlich war die Entscheidung der Ziegentrommel bereits rational gefällt. Wie sollte mir nun also ein anderes Krafttier erscheinen können, wo die Ziege doch bereits so tief im (Unter-)Bewusstsein verankert war? Seis drum. Ich schloss die Augen, lauschte dem Trommelschlag sowie Heikes Gesängen und versuchte mich zu entspannen. Es dauerte keine zwei Minuten und ich befand mich in tiefer Trance, wie ich sie sonst nur von Reisen mit psychedelischen Pflanzen kannte. Mein Geist war leer und ich dachte an ... nichts. Ich liebe dieses Gefühl, welches ich als „wissenssüchtiger“ Mensch leider viel zu selten wahrnehme. Nach wenigen Minuten – noch bevor Heike mit der eigentlichen Krafttiermediation begann! – stand er vor meinem geistigen Auge: Der Hirsch. Majestätisch, ehrwürdig und zeitgleich liebevoll beschützend. Wow. Ich konnte meinen (geschlossenen) Augen kaum trauen. Trotz meiner rationalen Planung der vorherigen Wochen und obwohl ich zuvor wirklich an nichts dachte, erschien mir dieses Tier wie selbstverständlich. Bin ich hier also tatsächlich in der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei gelandet?

Was dann passierte, zählte zu den schönsten Traumreisen, die sich mir jemals ereigneten. Ich verwandelte mich vor meinem geistigen Auge zunächst in ein Baby, ehe sich dieses Menschenbaby in ein Löwenbaby transmutierte. Der Hirsch beugte sich mit dem Kopf nach vorne, packte mich sanft und behutsam in sein Geweih und führte dieses ineinander zusammen, sodass ich mich in einer Art „geschütztem Vogelnest“ befand. In diesem Zustand spürte ich nichts weiter als völlige Geborgenheit und das Fernbleiben jeglicher Ängste – wie ein Kleinkind, das in einem paradiesischen Zustand voller Liebe und Wärme von seinen fürsorglichen Eltern alles bekommt, was es benötigt. Nachfolgend rannte der Hirsch mit mir durch riesige Felder inmitten gigantischer Antilopenmassen – ähnlich wie ich dies aus dem Film „König der Löwen“ kannte. Wie aus dem Nichts fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Alle Überlegungen, die zuvor in Richtung Ziege verliefen, basierten einzig und allein auf extrinsischen Überlegungen. Ich hatte nur im Kopf, mit welcher Trommel ich anderen Menschen im Rahmen einer eigenen Zeremonie am besten helfen könne. Doch nun sprach meine innere Stimme zu mir: „Es geht hier und jetzt um dich! Du bist auf diesem Seminar, weil du einen Begleiter für deine Arbeit benötigst, der dich wirkungsvoll vor Fremdenergien abgrenzt und beschützt. Sozusagen eine Art Schutzschild. Denn nur, wenn es dir selbst gutgeht, bist du in der emotionalen Verfassung, langfristig andere Menschen zu begleiten.“ Denn (emotionale) Gesundheit beginnt immer mit dem Fokus auf sich selbst – das ist kein Narzissmus, sondern die Grundvoraussetzung für wahre Selbstliebe! An diesem Punkt geht es mir nicht um die Erkenntnis an sich – denn diese war für mich alles andere als neu. Es geht um den grundlegenden Unterschied zwischen rationalem Denken und emotionalem Fühlen. Nur, weil man etwas auf theoretischer Ebene versteht, bedeutet dies keineswegs, es automatisch auch tief im Unterbewusstsein integrieren zu können. Hierzu benötigt es das Zusammenspiel zwischen rationaler UND emotionaler Ebene. In diesem Moment der Reise war mir also klar geworden: Der Hirsch wird ab sofort als Krafttier mein Beschützer und Weggefährte sein!

Nach dieser wunderschönen Spritztour durch die Prärie setzte der Hirsch mich mit Bedacht auf den Boden. Ich befand mich nun vor einer Art „Baumportal“, das mich durch seine Wurzeln in das Innere der Erde brachte. Hier angekommen befand sich der Schamane vor mir, den Heike in ihrer Meditation „heraufbeschwor“ und welcher uns nun unsere Trommel zeigen sollte. Da das Thema Krafttier bereits mit einem dicken Haken versetzt werden konnte, ging es bei mir „nur“ noch um die Form des Schlegels sowie um die optimale Größe der Trommel. Was nachfolgend geschah, lässt sich wohl am besten unter dem Titel „Ego vs. Intuition“ zusammenfassen. Denn, obwohl mein Bauchgefühl mir sofort zur mittleren Trommel riet, meldete sich schnell mein Kopf als Anwalt des Egos mit den Gedanken, es müsse selbstverständlich die größte Variante sein – getreu nach dem Motto je größer oder teurer, desto besser. Nachdem ich mir rational bewusst machte, dass ...

  • ich bereits eine 12 kg Klangschale (sowie diverse große und teure Gesundheitsgeräte) besitze,
  • kaum noch Platz in meiner Wohnung für weitere Gegenstände solchen Ausmaßes zur Verfügung steht,
  • meine Körpergröße wahrscheinlich eher für eine kleinere Trommel geeignet wäre...


konnte ich diesen ersten Impuls wieder verwerfen. „Dann nehme ich eben die Kleinste“ dachte ich, nur um kurz darauf zu bemerken, wie mein Ego mir hier einen erneuten Streich zu spielen versuchte. Denn, wenn es schon nicht die größte Trommel werden sollte, dann doch bitte wenigstens die Kleinste!

Alsbald ich den Gedanken wahrnahm, ertappte ich mich glücklicherweise selbst. Denn der innere Leitsatz, der diesen Gedanken zugrunde lag, war nichts anderes als „Alles, bloß nicht durchschnittlich!“. Letztendlich gewannen mein Herz und meine Intuition den Kampf und die Entscheidung war gefällt. Eine Hirschtrommel mittlerer Größe sollte es werden!

Heike holte uns langsam wieder aus der Meditation in die 3D-Realität zurück, wo wir unsere Erlebnisse im Kreis teilen durften. Ich blickte auf meine Wasserflasche und mich traf der Schlag: mein Lieblings-Heilwasser „Hirschquelle“ stand vor mir. Nur einen Tag zuvor bat mich meine Freundin während der Autofahrt um einen kurzen Stopp beim Edeka, um sich eine Flasche Hirschquelle zu besorgen. Obwohl ich dieses Wasser seit mehreren Monaten kaum noch getrunken hatte, verspürte ich sofort ein intuitives Verlangen und starkes Durstgefühl. Also ging ich mit ihr in den Laden, um direkt zwei ganze Kästen zu besorgen. Am Abend sowie am nachfolgenden Morgen während der Autofahrt trank ich „wie besessen“ mehrere Flaschen dieses Heilwassers. Zusätzlich reicherte ich meine Knochenbrühe, die ich wenige Tage zuvor zubereitete, mit Hirschhornmehl an, welches - obwohl ich von dessen gesundheitlichen Nutzen weiß – zuvor monatelang unbenutzt in meinem Schrank verweilte. Der Hirsch hatte sich also drei Tage im Voraus angekündigt und umging dabei vollständig meinen Wahrnehmungsfilter...

Doch zurück zum Teilen der Erfahrungen. Besonders faszinierte mich die Intensität des Erlebnisses, das von nichts anderem als einer Trommel und Gesang ausgelöst wurde dies bestätigten auch die anderen Teilnehmer. Als ein Mensch, der bereits mehrere psychedelische Reisen – z. B. mit Ayahuasca – hinter sich hat, waren mir Zustände solcher Art bereits bestens vertraut. Doch erlebte ich sie bis zu diesem Zeitpunkt eben nur mit Hilfe oral konsumierter Substanzen! Allerdings fällt mir rückblickend auf, in schamanischen Sitzungen immer dann besonders tief in einen Zustand gelangt zu sein, wenn sich der Schamane mit seiner Trommel inmitten des Kreises der Teilnehmer bewegte. Der meist monotone Rhythmus scheint hierbei ein hervorragendes Werkzeug zu sein, um den sich wehrenden Verstand auszuschalten und möglichst schnell in Trance zu versetzen. Spannend. Wären viele meiner bisherigen Erfahrungen ohne Trommel eventuell weniger intensiv verlaufen? Wer weiß.

Des Weiteren erzeugte Thomas‘ Feedback großes Erstaunen in mir. Denn er wählte nicht nur ebenfalls den Hirsch und die gleiche Trommelgröße, sondern durchlebte zudem die exakt gleichen Grundemotionen. Auch ihm erschien der Hirsch als majestätischer Beschützer und auch ihn plagten die gleichen Gedanken bei der Wahl der Trommelgröße. Als verblüffend betrachtet man solch ein Ereignis selbstverständlich nur, solange man in der Matrix unseres „modernen“ Weltbildes gefangen ist. Sofern man jedoch die Möglichkeiten der Telepathie als Kommunikationsebene zulässt (siehe hierzu dieses Video), erscheint das Szenario logisch und einleuchtend: Thomas war derjenige in meinem Freundeskreis, zu dem ich in den Wochen vor Seminarbeginn den intensivsten Kontakt pflegte. Zudem durchliefen wir parallel die fast gleichen emotionale Themen. Doch diese Synchronizität beschränkte sich im Übrigen nicht auf die schamanische Trommelreise, sondern sollte sich ebenso in der nachfolgenden Praxisarbeit fortsetzen...

Bastelkurs oder Emotionsarbeit?
Das Lösen von Traumata durch bewusstes Fühlen

Nun folgte der (zeitlich längste) Teil des Seminars – der Bau unseres individuellen „Zauber-Werkzeuges“.


(Bau einer schamanischen Rahmentrommel. Die Haut wird zunächst in die benötigten Formen geschnitten, ehe sie für ca. eine Stunde im kalten Wasser eingeweicht wird. Dies macht das Leder dehnbar und ermöglicht die weitere Verarbeitung des Materials.)

Ebenso, wie sich bereits die schamanische Klangreise unerwartet intensiv gestaltete, brachte auch der Bau unserer Trommel seine Besonderheiten mit sich. Was ich mir im Vorhinein eher unter der Kategorie „entspannter Bastelkurs“ verbuchte, entpuppte sich schlussendlich als emotionale Achterbahnfahrt. Meine Hirschhaut besaß an einigen Stellen einen solch harten Widerstand, dass ich von dem Schneiden mit der Schere nach etwa einer halben Stunde lila- blaue Abdrücke unter dem Daumen bekam. Langsam, aber sicher erzeugte dieser mühselige Prozess eine gehörige Portion innere Wut in mir. So vergingen maximal dreißig Minuten, bis Thomas und ich unserer Ungeduld wohl oder Übel ins Auge blicken mussten. Keiner wollte es sich anmerken lassen, doch innerlich war der Kessel bereits am Brodeln. „Dieser scheiß Hirsch! Warum baut sich diese verfickte Trommel nicht von allein? Und warum bin ich überhaupt auf diesem beschissenen Seminar!? Hätten wir uns doch einfach eine Trommel auf Amazon gekauft.“ Während ich gedanklich den Hirsch mit meinem gesamten Vokabular an Schimpfwörtern weiter beleidigte, wurde mir irgendwann die Unverhältnismäßigkeit dieses Verhaltens bewusst. Denn, wenn ich drei Stunden vor dem Handy meine Zeit verschwende, scheint dies in Ordnung, aber ein persönlicher Trommelbaukurs darf nicht ein paar wenige Stunden in Anspruch nehmen? Dass ich dies zwar rational begriff, mir jedoch emotional nicht eingestehen konnte, machte mich schlussendlich noch wütender...

Als ich nach einem kurzen Toilettenbesuch in den Spiegel blickte, erschrak ich. Mein Gesicht und meine Hände waren feuerrot! Ich konnte am ganzen Körper die Hitze spüren, die eindeutig nicht externer Natur war, sondern von mir selbst ausging. Da ich mich im vergangenen Jahr intensiv mit dem Traumaheilungs-Ansatz „Somatic Experience“ beschäftigte, war mir sofort bewusst, dass diese Hitzewallungen lediglich eine biologische Reaktion meiner unterdrückten Wut verkörpern (wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch „Was der Körper zu sagen hat“). Insbesondere das Erröten des Gesichts, unter welchem ich noch bis vor wenigen Jahren regelmäßig litt, stellt nach diesem Ansatz eine Körperreaktion dar, die durch unterdrückte Wut und/ oder Scham erzeugt wird.

Schließlich erreichte ich einen Punkt, an dem ich meine Wut nicht mehr unterdrücken, nicht mehr für mich behalten konnte. Denn ich hatte beim mühseligen Binden der Schnüre ein Loch ausgelassen und musste daher noch einmal rund ein Drittel der bisher geleisteten Arbeit von Neuem beginnen. Also fluchte ich, gemeinsam mit Thomas, dem es emotional genauso wie mir erging, was das Zeug hielt. Wenige Minuten später durchströmte Erleichterung unseren Körper und die innere Hitze konnte sich abbauen. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass genau DAS Therapie bedeutet: Emotionen bewusst wahrzunehmen und diese (so gut es im jeweiligen Kontext möglich ist) zuzulassen. Denn was uns schlussendlich psychisch krank macht und traumatisiert, ist eben NICHT das Fühlen von Emotionen, sondern die konstante Unterdrückung dieser.

Ein weiteres Kernthema, mit welchem sich Thomas und ich im Rahmen des Trommelbaus konfrontiert sahen, war unsere Angst, „etwas falsch zu machen“. Diese Urangst steckt in sehr vielen Menschen und geht meist auf das Verhalten der Eltern in der frühen Kindheit oder Erfahrungen, die wir in unserem Schulsystem (oder sogar schon im Kindergarten) machen mussten, zurück. Letztendlich verbirgt sich dahinter oft das Grundschema „wenn ich einen Fehler mache, bin ich weniger wert und werde (von meinen Eltern) nicht geliebt.“ Im späteren Lebensverlauf folgt hieraus – aus purem Selbstschutz – oft ein Drang zum Perfektionismus (den ich selbst nur allzu gut kenne).

Da unser Gehirn während des Trommelbaus im Wirrwarr der scheinbar endlosen Schnüre irgendwann in den Standby-Modus schaltete, gelangen uns nicht einmal mehr die simpelsten Handgriffe wie z. B. das Binden eines Knotens, weswegen wir Heike um Hilfe bitten mussten. Doch egal, wie oft sie uns auch half, wir waren genauso verwirrt wie zuvor. Also rief ich sie wieder und wieder, bis ich mir irgendwann vorkam wie der dümmste Mensch auf Erden. Doch genau an diesem Punkt geschah ein Stück Traumaheilung. Denn Heike schien nicht ein einziges Mal von unserer Unfähigkeit genervt, sondern half uns jedes Mal liebe- und verständnisvoll weiter, egal wie oft wir sie zu uns baten, bis unsere Trommel schlussendlich fertig war. Das war Traumaheilung in der Praxis: Wir durchlebten ein Kindheitstrauma, das jedoch seinen Schrecken verlor, weil es dieses Mal einen anderen, einen positiven Ausgang nahm. Wir fühlten uns in unserer Hilflosigkeit verstanden, gesehen und angenommen, wodurch die negative Empfindung dieses Zustandes im Unterbewusstsein „überschrieben“ werden konnte. Wir wurden neu konditioniert. Es war in diesem Moment in Ordnung, nicht sofort perfekt zu sein. Es war in Ordnung, Hilfe anzunehmen und etwas nicht allein zu können. Heike war zu keinem Zeitpunkt klar, wie tief sie uns „harten Kerle“ mit ihrem Verhalten berührte...

Die Geburt der Trommel

Nach dem Bau unseres Schlegels beendeten wir das Seminar am zweiten Tag dieses Wochenendes mit der „Einweihung“ unserer Trommel. Hierzu legten wir uns einzeln und nacheinander für einige Minuten unter die sogenannte „Mother- Drum“ (eine riesige Trommel aus Pferdehaut mit über einem Meter Durchmesser). Währenddessen trommelten Heike und die jeweils restlichen fünf Teilnehmer im gleichen Rhythmus von oben auf die Pferdehaut.





Da ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen an diesem Wochenende bereits ein anderes Verhältnis zur schamanischen Trommel besaß, erwartete ich – im Gegensatz zur ersten Reise – durchaus ein besonderes Erlebnis. Dennoch wurde ich erneut durch die Intensität des Ereignisses überrascht. Es dauerte keine Minute und das unglaublich laute Getrommel, welches ich durch die enorme Vibration sogar besonders intensiv körperlich und nicht bloß akustisch über die Ohren wahrnahm, , erzeugte eine schwer zu beschreibende „Urangst“ in mir. Als ich mich darauf einließ, spürte ich, wie diese Angst gar nicht von mir selbst ausging, sondern die Angst meiner Mutter während ihrer Schwangerschaft symbolisierte. Der schnelle und laute Trommelschlag war in diesem Moment für mich eindeutig als der Herzschlag meiner Mutter spürbar und ich fühlte mich für einen kurzen Moment in die Zeit als Embryo zurückversetzt. [Ein ähnliches embryonales Gefühl durchlebte ich im Übrigen bereits vor ca. einem Jahr während einer Floating- Session. Seitdem messe ich vorgeburtlichen Erfahrungen genauso große Relevanz bei, wie der frühkindlichen Entwicklungsphase. An dieser Stelle sei die Videoreihe „Bernd Senf über Wilhelm Reich“ auf YouTube empfohlen.]

Als sich die Ängste und Sorgen meiner Mutter während ihrer Schwangerschaft in mir emotional ausbreiteten, verspürte ich automatisch ein gewisses Verständnis für ihre „Fehler“. Kurz darauf sah ich meine ältere Schwester und ihre kleine Tochter vor meinem geistigen Auge und spürte ebenfalls ihre Strapazen, die sie während ihrer Schwangerschaft durchlebt haben muss. In diesem Augenblick empfand ich großen Respekt für alle Mütter dieser Welt. Denn auch, wenn die meisten Mütter durch ihre eigenen ungelösten Traumata und Überforderungen unbewusst sicher eine ganze Reihe an „Fehlern“ begehen, vollbringt der Großteil von Ihnen eine ganz besondere Leistung und wichtige Aufgabe in Hinblick auf unsere gesellschaftliche Entwicklung. Danke liebe Mütter dieser Welt! Nach diesem Erlebnis verließ ich die Mother-Drum auf der anderen Seite und feierte die Geburt meiner Trommel, sowie die Neugeburt eines weiteren Lebensabschnittes für mich.

Fazit

Welche Erkenntnisse konnte ich nun also rückblickend durch den Bau meiner persönlichen Rahmentrommel sammeln? Hinsichtlich welcher Aspekte hat sich mein Sichtfeld geweitet oder verändert? Drei Aspekte kommen mir hierbei in den Sinn:

  • Das Seminar brachte mir ein tieferes Verständnis bezüglich der Rolle der „Tiergeister/ Spirits“, welche in der schamanischen Literatur immer wieder Erwähnung finden. Und auch, wenn sich dieses Konzept bereits im Vorfeld für mich stimmig anfühlte, ließ es sich erst jetzt emotional integrieren. Die alten Indianer bauten diese Trommeln aus tiefster Wertschätzung den Tieren gegenüber, um wirklich ALLES, was ein Tier hergibt, zu verwerten und dem Lebewesen somit ihre Dankbarkeit zu erweisen – ein aus meiner Sicht tiefspirituelles Verständnis, welches uns in unserer auf Quantität gerichteten Konsumwelt, in der Tiere nur noch als bloße Massenware dienen, vollständig abhandenkam. Auch, wenn es für manchen Leser abgefahren klingen mag, aber ich spüre die animalische Energie und wie die Eigenschaften dieses Tieres mit jedem Trommelschlag in den Raum übertragen werden. Wie oft wird mir der Hirsch in den kommenden Jahren in emotionalen Krisen eine Stütze sein? Bei wie vielen Teilnehmern werden Thomas und ich im Rahmen unserer eigenen Seminare durch die Hilfe des Hirsches emotionale Blockaden lösen können? Der Bau dieser Trommel hat den Hirsch unsterblich gemacht (siehe auch „Der Schmetterlings-Effekt“). In Zukunft möchte ich daher auch beim Konsumieren von tierischer (und auch pflanzlicher) Nahrung noch bewusster in die energetischen Eigenschaften der jeweiligen Nahrungsmittel hineinfühlen, um diese nicht nur auf ihren orthomolekularen („nährstofflichen“) Charakter zu reduzieren.
  • Deine innere Intuition weiß genau, was du brauchst – an jedem Ort, zu jeder Zeit. Würden wir wieder mehr auf uns selbst, statt auf diverse „Experten“ hören, wäre die Menschheit sowohl physisch als auch psychisch innerhalb weniger Jahre um Lichtjahre vorangeschritten. Das ist zwar für mich keine neue Erkenntnis, doch auch mir tut es gut, immer wieder aufs Neue durch Praxiserfahrungen an meine innere Kraft erinnert zu werden. (Ein Praxistipp an dieser Stelle: ein regelmäßiger Bodyscan kann dabei helfen, deinen inneren Heiler bewusster wahrzunehmen.)
  • Viele Menschen assoziieren mit dem Begriff Traumatherapie eine Sitzung beim Psychologen, woraus oft eine generalisierte Abneigung gegenüber diesem Themenfeld resultiert. Aus meiner Sicht kann jedoch ALLES Traumaheilung sein, wenn das BEWUSSTSEIN und das FÜHLEN entsprechend darauf ausgerichtet ist. Denn bei der ganzheitlichen Traumaheilung geht es – sehr vereinfacht ausgedrückt – primär darum, seinen derzeitigen Emotionszustand und den auslösenden Trigger bewusst wahrzunehmen, das Gefühl zu durchleben und im Optimalfall durch eine „neue Realität“ zu ersetzen. Genau dies durchlebten Thomas und ich an jenem Wochenende, wodurch wir uns danach wieder geerdeter und dadurch stärker mit uns selbst verbunden fühlten. Und das, obwohl wir doch eigentlich „nur auf einem Trommelbauseminar waren“... Ach ja, falls ich bei jemanden das Interesse für dieses Seminar geweckt haben sollte, gelangt ihr hier zu Heike’s Homepage.

Schauen wir mal, auf welchen Wegen der Hirsch mich zukünftig begleiten wird.


Löse und verbinde.
Benjamin Weidig

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